Drei unterschiedliche Worte und doch so abhängig voneinander. Jedenfalls für uns in der Landwirtschaft. Was sie verbindet, schauen wir uns später an. Zunächst gehen wir zu den einzelnen Wörter und deren Bedeutung.
Setzzeit
Auch Brut- & Setzzeit genannt. Beschreibt die Zeit in der Tiere ihre Jungen zur Welt bringen oder diese ausbrüten. Je nachdem, welcher Klasse sie angehören.
Wir verwenden diesen Begriff im Zusammenhang mit Wildtieren wie z.B. Rehe. So bedeutet unsere „Setzzeit“ nichts Anderes als die Geburt der Rehkitze.
Verblenden
Gemäss Duden gibt es 3 verschiedene Bedeutungen:
• Geblendet sein → die Unfähigkeit zu vernünftigen Überlegungen.
• Ewas „verkleiden/überziehen“ mit einem schöneren Material.
• Mit einer Kunststoffmasse überziehen → in der Zahntechnik verwendet.
Heuzeit
Beschreibt die Zeit, in der wir Landwirte das Gras zur Heuernte mähen. Im Mai wird oft das erste Gras gemäht. Ab Mitte Juni folgt dann das Ökogras.
Worin liegt also die Gemeinsamkeit?
Rehe werfen ihre Kitze üblicherweise zwischen Mai und Juni. Dies ist die sogenannte Setzzeit. Als Setzplatz bevorzugen sie geschützte Orte, wie Büsche und Heuwiesen mit hohem Gras. Dabei dient das hohe Gras dem Schutz der Neugeborenen vor den natürlichen Feinden. Allen voran dem Fuchs. Dieser freut sich über die Kitze als Beute.
Ein Rehkitz bleibt bis ca. 4 Wochen im hohen Gras versteckt, während die Rehmutter grast und aus der Ferne über ihr Junges wacht. Wobei das Junge den Liegeplatz sehr oft wechselt.
Die Setzzeit der Rehe (und natürlich auch anderer kleineren Wildtiere) fällt also in die Heuzeit der Landwirte. Wo wir im Mai/Juni oft das erste Heugras mähen, ist es nicht selten, dass darin versteckt Rehkitze liegen. Fahren wir mit unseren Mähern und Maschinen los, rennen Kitze nicht etwa weg. Nein, bei Gefahr ducken sie sich und bleiben mux mäuschen still liegen. Der herannahende Mäher ist ihr sicheres Todesurteil.
Was tun?
Um Kitzen wie auch Rehen dieses Leid zu ersparen, greifen wir auf verschiedene Möglichkeiten der Kitzrettung zurück. Eine davon ist das Anmähen der Wiesen am Vortag der Hauptmahd, eine Weitere das Verblenden.
Verblenden heisst: ebenfalls am Vortag der Mahd, stellen wir Landwirte Pfähle mit weissen Tüchern oder Säcken mitten in der Heuwiese auf.
Mit diesen beiden Massnahmen sorgen wir für Unruhe bei den Wildtieren, so dass Rehe und auch Feldhasen ihre Jungen aus der gefährlichen Wiese holen und umplatzieren. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass die Wirkung dieser Massnahmen nur kurz anhält. Wer meint, etwas Gutes zu tun und bereits Tage im Voraus verblendet, irrt: die Wildtiere gewöhnen sich an die Veränderung und bringen ihre Jungtiere wieder zurück in die Wiese.
Das heisst: die eigentliche Mahd sollte bereits am Tag nach den getroffenen Massnahmen erfolgen.
Vorzugsweise wird dann von Innen nach Aussen gemäht. Sollten sich trotz aller Vorsicht noch Wildtiere oder auch Katzen in der Wiese befinden, so ist bei dieser Mähart eine Rückzugsmöglichkeit gegeben.
Eigene Erfahrungen
Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass es sich selten lohnt, die Wiesen zu Fuss abzusuchen. Kitze sind so gut getarnt und liegen dermassen still, dass man schon fast darüber stolpern muss, um sie zu finden.
Wer seine Felder und Wiesen kennt, weiss meist schon im Voraus, ob und wo sich Kitze befinden könnten.
Eine Rehgeiss, die während des Mähens in Feldnähe unruhig auf und ab geht, ist ein sicheres Zeichen dafür, dass sich noch weitere Kitze im Gras befinden.
Unterstützung holen
Wer nicht selber verblenden möchte oder kann, tut Gutes, wenn er sich mit dem zuständigen Jagdverein vor Ort kurzschliesst. In den meisten Fällen sind die Jäger durchaus gerne bereit, diese Aufgaben zu übernehmen.
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Christine Lindner (Sonntag, 25 Juni 2017 11:40)
Total spannend. Bitte nicht aufhören. Es tut mir so gut, Dinge zu lernen, die ausserhalb meines persönliche Arbeits- und Erfahrungsgebiet liegen. Merci♡♡
Könighof (Montag, 26 Juni 2017 09:52)
Hallo liebe Christine
Danke für Dein Feedback! Schön, dass ich Dir etwas mitgeben konnte.
Lieben Gruss Nadja